Am 1. Januar 2022 zündet für Wärmeversorger die zweite Stufe der EU-Energieeffizienzrichtlinie. Dies hat für die Akteure im Wärmemarkt neue Pflichten und Prozesse zur Folge, die auch in der Systemwelt verankert und abgebildet werden müssen. Die Autoren der Somentec Software GmbH erläutern, was auf die Branche zukommt, wo es mangels Rechtssicherheit hapert – der Gesetzgeber hat HKVO & Co. noch nicht final novelliert – und wie unter diesen Umständen in der Praxis ein Lösungsweg aussehen kann.
Die EU-Energieeffizienzrichtlinie (Energy Efficiency Directive – EED) stellt Wärmeversorger und Dienstleister für die Heizkostenabrechnung, aber auch Software-Hersteller für die Branche vor besondere Herausforderungen. Die EED der Europäischen Union ist 2018 in Kraft getreten und muss von den Marktakteuren hierzulande angewendet werden, obwohl sie noch nicht komplett und abschließend in geltendes deutsches Recht überführt wurde. Im Falle der Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und -Abrechnungsverordnung (FFVAV) sowie der Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) hatte der Bundesrat am 25. Juni 2021 grünes Licht gegeben – allerdings mit wesentlichen Anpassungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf. Damit lag der Ball wieder im Spielfeld des Bundeswirtschaftsministeriums – wo er auf unabsehbare Zeit verbleibt.
Auch die Heizkostenverordnung (HKVO) ist zur Hängepartie geworden. Der Bundestag hatte sie am 4. August abgesegnet. Doch auf der Tagesordnung der letzten Sitzung des Bundesrats in dieser Legislaturperiode am 17. September 2021 tauchte die HKVO-Novelle nicht auf. Auf Betreiben des Wirtschafts- und Umweltausschusses wurde eine Entscheidung vertagt, so war zu lesen. Der Wirtschaftsausschuss habe auf Stellungnahmen verwiesen, für die noch Bearbeitungszeit erforderlich sei.
Für alle Akteure im Wärmemarkt ist die entstandene Situation höchst unerfreulich. Die Übergangsfrist zur Umsetzung der EED in verbindliche nationale Regelungen ist seit elf Monaten abgelaufen. Zum 25.10.2020 hätte dieser Vorgang abgeschlossen sein müssen. Gleichwohl wird im Hinblick auf 2027 die EED bereits angewendet: Fernwärmeversorger und Submetering-Dienstleister setzen bei Neuinstallationen überwiegend auf fernauslesbare Messgeräte. Es ist der Beginn einer Entwicklung, an deren Ende die vollständige Digitalisierung des Messwesens im Wärmemarkt steht. Vom 1. Januar 2027 an wird die Fernauslesung ausnahmslos – also nicht nur bei Neuinstallationen, sondern auch im Bestand – Pflicht sein.
Ein insbesondere auch für Software-Hersteller wichtiger Termin ist bereits der 1. Januar 2022: Von diesem Tag an haben Wärmeversorger Endnutzern bzw. Hausbewohnern mit fernauslesbarer Geräteausstattung monatlich Verbrauchsinformationen zur Verfügung zu stellen. Dafür müssen die Software-Systeme ertüchtigt und bei den Versorgern eingerichtet sein. Das fällt jedoch schwer auf Basis von Verordnungen, die noch nicht rechtskräftig sind und die nach Meinung vieler Experten noch immer Schwächen und Regelungslücken aufweisen.
Da die Uhr bis zum Fristablauf am Jahresende aber unerbittlich tickt, bleibt den Softwarefirmen nichts anderes übrig, als auf Basis des vorläufigen Regelwerks IT-Lösungen für die regelmäßige Bereitstellung von Verbrauchsinformationen und/oder monatliche Verbrauchsabrechnung zu entwickeln – wohl wissend, dass es wahrscheinlich noch zu Anpassungen kommt. Für Wärmelieferanten ist die Situation nicht minder unangenehm, weil alle einschlägigen Lösungen zur Kundeninformation unter Vorbehalt stehen. Auf Zeit spielen wollen und können die Wärmeversorger jedoch nicht. Eine Umfrage unter den Kunden der Somentec Software GmbH ergab, dass 84 % der befragten Unternehmen bereits fernauslesbare Wärmezähler installiert haben, sie die monatliche Info-Pflicht für diese Kunden also umsetzen müssen.
Ein wesentlicher Knackpunkt in der EED war und ist das Wort „übermitteln“. Es ist von zentraler Bedeutung in der Frage, wie der Endverbraucher seine kurzyklischen Verbrauchsinformationen erhalten soll. Rechtssicher wären aktuell nur zwei Wege: die postalische Zustellung oder der Versand eines digitalen Dokuments mit qualifizierter Signatur. Beides wäre aber absolut unpraktisch und unverhältnismäßig, weshalb die Branche sich vehement gegen solche Praktiken wehrt. Sie drängt darauf, die Verbrauchsinfos nur „zugänglich machen“ oder „bereitstellen“ zu müssen. Eine diesbezügliche Klarstellung wäre Voraussetzung dafür, dass tatsächlich eine Portal-Lösung zum Einsatz kommen kann – nach mehrheitlicher Auffassung in der Fernwärmebranche der effektivste Weg.
Ungeachtet aller Unsicherheiten muss sich die gesamte Branche auf den 1. Januar 2022 vorbereiten. Die Phalanx der Unternehmen, die einer monatlichen Abrechnung skeptisch gegenübersteht, ist mit 59 % zwar noch in der Mehrheit, wie eine Umfrage unter den Somentec-Kunden im Wärmesektor ergab. Aber der Wind hat sich spürbar gedreht: Für immerhin 41 % der befragten Versorger ist die monatliche Abrechnung bereits eine Alternative. Die wachsende Bereitschaft der Versorger, sich auf Neues einzulassen, ist eine gute Voraussetzung für das Gelingen der Digitalisierung des Messwesens in der Wärmeversorgung.
Wie agiert Somentec Software unter den gegebenen Bedingungen? Klar ist: Die Wärmeversorger müssen zum Stichtag 1. Januar 2022 handlungsfähig sein. Somentec bietet in XAP.wärme drei Varianten der kurzzyklischen Kundeninformation an, damit die Unternehmen flexibel agieren können:
Ausweisen der Verbrauchs- und Abrechnungsinformationen via Portal. Mit diesem Verfahren sind Wärmeversorger von der Rechnungsfrequenz unabhängig und präsentieren sich gegenüber ihren Endkunden als digitalaffines, fortschrittliches Unternehmen.
Erzeugung monatlicher Verbrauchs- und ggf. Abrechnungsinfos, die entweder als PDF oder optional als Papier erstellt werden können. Diese Umsetzung macht unabhängig von der finalen Ausprägung des Gesetzes- bzw. Verordnungstextes. Nachteil: Es bliebe bei der jährlichen Abrechnung, und Wärmeversorger hätten einen zusätzlichen, kostenintensiven Prozess zu organisieren.
Umstellung auf monatliche Abrechnung. Das wäre mit geringen Implementierungskosten und ohne den Aufbau neuer Prozesse umsetzbar. Die bestehenden Kommunikationskanäle können weiter genutzt und auf den Abschlagsprozess könnte verzichtet werden.
Mit XAP.portal verfügt Somentec über eine browserbasierte Self-Service-Plattform, die für die neuen EED-Funktionen lediglich erweitert werden muss. Verbrauchs-, Vergleichs- und Rechnungsinformationen können den Kunden im Portal auf smarte Art und Weise zur Verfügung gestellt werden. Dafür wird das bestehende Portal einem Relaunch unterzogen und um die im EED-Kontext notwendigen Features erweitert. Mit Kundennummer und Passwort können sich Endkunden dort einloggen und alte Verbrauchsabrechnungen ebenso einsehen wie Infos zum aktuellen Wärmeverbrauch und zur Verbrauchsentwicklung, auch in grafischer Aufbereitung. Das eigenständige Anpassen von Abschlägen, Bankverbindung oder Adressdaten ist ebenfalls möglich.
Mit diesem Lösungsbaukasten können Wärmeversorger ihre individuelle EED-Strategie realisieren und sind zum Stichtag handlungsfähig.
Was jenseits der ungeklärten Rechtslage nicht übersehen werden darf: Auch wenn die Software-Hersteller es ihren Kunden maximal einfach machen möchten, wird es bei der Umsetzung der EED nicht damit getan sein, fernauslesbare Zähler zu installieren und Software für die neuen Prozesse zu installieren. Die EED-Einführung wird sich auch anschließend nicht allein mit Updates und Änderungen in der Software erledigt haben. Die EED ist ganz zentral auch eine Frage neuer innerbetrieblicher Prozesse und Organisation. Darin liegt unter den gegebenen Umständen aus unserer Sicht die größte Herausforderung bei der Umsetzung.
Aber so weit sind wir in der Praxis noch nicht. Man darf gespannt sein, wann FFVAV-, AVBFernwärmeV- und HKVO-Novelle in trockenen Tüchern sein werden und Rechtssicherheit eintritt. Die künftige Bundesregierung ist gefragt.
Autoren: